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Wie wir gemeinsam unsere Kinder erziehen und Liebe ermöglichen

Eine 4-köpfige Familie steht auf der Wiese. Es sind Vater, Mutter und zwei erwachsene Töchter. Die Mutter steht ganz links. Dann eine Tochter mit rotem Oberteil. Daneben der Vater und ganz rechts die zweite Tochter. Sie stehen eng nebeneinander und haben die Arme umeinander gelegt. Die Sonne scheint ihnen ins Gesicht. Deshalb kneifen sie etwas die Augen zusammen.

Ihre Töchter gemeinsam und gleichberechtigt erziehen: Das war Çiğdem und Ali Eroğlu immer wichtig. Wir sprechen mit der Familie über Liebe und Partnerschaft. Und über ihr Zusammenleben.


Çiğdem Eroğlu, 47 Jahre
Ali Eroğlu, 52 Jahre
Tochter Eylem, 26 Jahre
Tochter Sinem, 24 Jahre

Ali, als eure Töchter klein waren: Du warst zu Hause und deine Frau berufstätig.
War das für dich selbstverständlich?

Ich hatte damals keine Arbeit, meine Frau schon.

Für mich war klar, dass ich meine Familie unter­stütze.

Und dabei war es egal, ob durch einen Job.

Oder durch Kinder·erziehung und den Haushalt führen.

Für mich war das selbst­verständlich.

Ich habe das sehr gern gemacht.

Eltern sollten immer ihre Kinder gemeinsam erziehen.

So ist meine Meinung.

Wir habt ihr von Sinems Behinderung erfahren?

Der Kinderarzt hat die Behinderung festgestellt.

Das war aber zufällig.

Wir waren aus einem anderen Grund bei ihm.

Als ich von der Behinderung erfuhr,

war ich kurz wie betäubt.

Meine Frau und ich haben dann viel darüber gesprochen.

Von Anfang an waren wir offen für die neue Situation.

Çiğdem, ihr habt eure Tochter sehr offen erzogen.
Themen wie Liebe und Partnerschaft sind keine Tabus.
Warum ist euch das wichtig?

Jeder Mensch hat das Recht auf Liebe und Partnerschaft.

Egal, ob jung oder alt, Mann oder Frau, mit oder ohne Behinderung.

Zu Liebe und Partnerschaft gehören körperliche Nähe und Zärtlichkeit.

Diese Erfahrungen wünsche ich jedem Menschen.

Für mich ist Liebe und Partnerschaft kein Tabu·thema.

Es ist das Natürlichste auf der Welt.

Als Sinem klein war, habe ich mich immer gefragt:

Wird auch sie diese Erfahrung machen, wenn sie älter ist?

Ich habe mir viele Gedanken gemacht.

Manchmal war ich sehr traurig.

Ich sorgte mich,

dass meine Tochter Nähe und Zärtlichkeit nie erleben wird.

Jetzt hat sie einen Freund.

Die beiden zusammen zu sehen, ist für mich das Schönste.

Vater, Mutter und Tochter stehen vor einem Rolltor. Darauf ist Graffiti in Weiß, Schwarz und Türkis. Die Tochter steht in der Mitte und lacht. Sie hat einen Arm in die Seite gestemmt. Ihre Mutter links fasst sie an ihre Hüfte. Auch sie lacht. Der Vater steht rechts und lächelt.
Çiğdem Eroğlu: Jeder Mensch hat das Recht auf Liebe und Partnerschaft. Ganz egal, ob jung oder alt, Mann oder Frau, mit oder ohne Behinderung. Zu Liebe und Partnerschaft gehören körperliche Nähe und Zärtlichkeit. Diese Erfahrungen wünsche ich jedem Menschen.

Sinem, du hast seit 4 Jahren einen Freund. Wie heißt er?

Mein Freund heißt Samet.

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Wir waren zusammen in einer Theater·gruppe.

Bist du glücklich?

Ja, ich bin sehr glücklich mit ihm.

Çiğdem, wie war das für dich, als die beiden sich kennengelernt haben?

Ihre Beziehung entwickelte sich langsam.

Bei ihren ersten Treffen waren wir Mütter dabei.

Wir sprachen oft mit Sinem und Samet.

Bei diesen Treffen habe ich mich mit Samets Mutter angefreudet.

Unsere Freundschaft ist noch immer sehr wichtig.

Wie unternehmen regelmäßig etwas zusammen.

Warum sind Themen wie Liebe und Partnerschaft für viele andere Eltern ein Tabu?

Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Problem.

Junge Frauen bekommen nicht die gleichen Freiheiten wie junge Männer.

Ganz egal, ob sie eine Behinderung haben oder nicht.

Eltern möchten ihre Kinder mit Behinderung mehr schützen.

Das verstehe ich.

Aber für mich hat es nichts mit Schutz zu tun.

Man darf niemandem das Recht auf Liebe absprechen.

Es ist meine Aufgabe, meine Tochter in ihrer Partnerschaft zu unterstützen.

Eylem, deine Schwester und du ihr seid fast gleich alt.
Habt ihr als Kinder viel zusammen gemacht?

Ja, wir machen heute immer noch viel zusammen.

Sinem kommt oft mit, wenn ich etwas unternehme.

Andersherum ist es genauso.

Dadurch bekommen wir beide viel vom Leben der anderen mit.

Mich hat das Zusammensein mit Sinem bereichert.

Ich bin offen für das Thema Behinderung geworden.

In der Vergangenheit wurde ich oft gefragt,

ob ich mich früher vernachlässigt gefühlt habe.

Das habe ich nie so empfunden.

Meine Eltern sind immer für uns beide da.

Natürlich braucht Sinem manchmal mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung.

Aber deshalb fühle ich mich nicht zurückgesetzt.

Wir unterstützen uns alle gegenseitig.

Das macht uns stark.

Welche Unterstützung bieten Eltern·kurse?

Eltern·kurse unterstützen Sie bei der Kinder·erziehung.

Sie machen Mut.

Und sie helfen Ihnen, zu Ihren Kindern eine gute Beziehung aufzubauen.

Die Eltern·kurse werden von Fach·kräften geleitet:

Gemeinsam mit anderen Eltern erarbeiten Sie Lösungen.

So lernen Sie, schwierige Situationen zu meistern.


Alle können ihre persönlichen Familien·themen mitbringen.

Häufig geht es um diese und ähnliche Themen:


An wen richten sich Eltern·kurse?

Die Eltern·kurse sind für alle Mütter und Väter.

Die Kurse finden meistens 1 Mal in der Woche statt.

Für die Kinder gibt es in der Zeit eine Betreuung.

In vielen Städten werden Kurse in mehreren Sprachen angeboten.

Zum Beispiel auf Russisch, Kurdisch oder Arabisch.

Außerdem gibt es Eltern·kurse speziell für geflüchtete Eltern.


Die Kosten für die Kurse sind unterschiedlich.

Fest steht:

Menschen mit wenig Einkommen müssen meistens weniger zahlen.

Manchmal müssen sie gar nichts bezahlen.

Hier finden Sie weitere Informationen

Mehr Informationen zu Eltern·kursen finden Sie hier:


Eltern·kurse für geflüchtete Eltern finden Sie hier:

rescue.org