Mohammad al Hindi und Susan Khalil kommen aus Syrien. Sie flohen mit ihrer Familie vor dem Krieg nach Deutschland. Ihr Sohn Nour hat eine Lern·beeinträchtigung. Die Eltern erzählen uns, wie sie ihn unterstützt haben. Wie er sich gut entwickeln konnte. Und was die frühe Förderung bei Nour gebracht hat.
Susan Khalil, 55 Jahre
Mohammad al Hindi, 58 Jahre
Sohn Nour, 26 Jahre
Uns ist lange Zeit nichts aufgefallen.
Aber mit 2 Jahren konnte Nour immer noch nicht sprechen.
Er war in seiner ganzen Entwicklung verzögert.
Deshalb fragten wir einen Arzt.
Der kam zu uns nach Hause.
Dann hat er Nour untersucht und uns beraten.
Er entwickelte für Nour ein Programm zur Frühförderung.
Ich bin Zahnärztin und hatte eine eigene Praxis.
Ich wollte Nour bestmöglich unterstützen.
Darum gab ich meinen Beruf auf.
Ich wollte mit ihm zusammen seine Fähigkeiten entwickeln.
Wir machten jeden Tag Übungen.
Zum Beispiel unterstützte ich ihn, sprechen zu lernen:
Ich habe Nour immer direkt ins Gesicht geschaut.
Und habe ganz langsam gesprochen.
Er konnte beobachten, wie ich die Laute bilde.
Auch seine Aufmerksamkeit wollte ich fördern.
Und seine Fertigkeiten mit den Händen.
Darum spielten wir viel mit Schrauben und Muttern.
Wir übten sehr viel.
Ich hatte einen ganzen Schrank voller Hilfs·mittel.
Ich habe mir dafür sehr viel Zeit genommen.
Denn ich habe immer an Nour geglaubt.
Auch die Familie stand hinter uns.
Mit 5 Jahren kam Nour in die Vorschule.
In Syrien ist die Vorschule so ähnlich wie hier die Kita.
Dort hat Nour einiges gelernt.
Die Erzieherin hatte viel Verständnis für ihn.
Sie konnte gut mit ihm umgehen.
Jeden Tag unterhielt sie sich mit mir über Nours Entwicklung.
Und über seine Situation in der Klasse.
Nach der Vorschule kam Nour auf eine Privatschule.
Allerdings wussten die Lehrkräfte dort nicht,
wie sie mit Menschen mit Behinderung umgehen können.
Wir entschieden uns schließlich für einen Wechsel.
Nour ging an eine andere Schule.
Dort kannten wir einen Teil der Lehrer und Lehrerinnen persönlich.
Seitdem lief es viel besser.
Nour wurde gut gefördert.
Auch ich habe ihn weiter unterstützt.
Das war damals noch möglich, weil die politische Lage in Syrien sicher war.
Wir führten ein gutes Leben.
Mein Rat für Eltern ist, dass sie ihre Kinder so früh wie möglich intensiv fördern.
Dass sie nicht aufgeben.
Dass sie alles ausprobieren.
Und dass sie mit ganzem Herzen bei der Sache sind.
Die Förder·angebote in Kita und Schule allein sind nicht genug.
Das ist meine Erfahrung.
Es reicht nicht, damit sich ein Kind gut entwickelt.
Die Lage in Syrien spitzte sich immer weiter zu.
Wir lebten in Ghuta.
Das ist in der Nähe von Damaskus.
Schnell waren wir dort im Mittelpunkt der Kämpfe.
Wir zogen in Syrien mehrmals um.
Dann haben wir uns für die Flucht entschieden.
Ich ging mit unserem jüngsten Sohn Fehmi voraus.
Das war Ende 2014.
Die restliche Familie kam im Juli 2015.
Sie durften so schnell nachkommen,
weil Fehmi eine lebens·gefährliche OP an seinem Herzen hatte.
Er war gleich nach unserer Ankunft operiert worden.
Außerdem kamen damals noch nicht so viele Menschen nach Deutschland.
Wir leben jetzt seit 6 Jahren hier.
Das ist ein neues Leben.
Wir sind weit weg von Krieg und Unterdrückung.
Es hat sich gelohnt, Nour so stark zu fördern.
Nour konnte lesen und schreiben.
Sogar auf Englisch.
Deshalb konnte er mit mir in einen Deutschkurs gehen.
Deutsch lernen war für ihn leicht.
Deshalb konnte er schon bald in eine Werkstatt für behinderte Menschen gehen.
Da hat er zunächst die Berufs·bildung gemacht.
Heute hat er dort seine Beschäftigung.
Mit der Arbeit in der Werkstatt erfüllte sich ein großer Traum von uns.
Wir freuen uns sehr.
Denn jetzt kann Nour seine Zukunft selbst gestalten.
Ich will der beste Mitarbeiter in der Werkstatt werden.
Und ich möchte viel Geld verdienen.
Dann habe ich mein eigenes Geld für meine Reisen und Hobbies.
Kinder·tagesstätten werden kurz Kitas genannt.
Kitas betreuen Kinder ab 3 Jahren.
Viele Kitas nehmen auch jüngere Kinder auf.
Auch in der Kinder·tagespflege werden sie aufgenommen.
Sobald Ihr Kind ein Jahr alt ist, haben Sie ein Recht auf einen Kita·platz.
Oder auf einen Platz in der Kinder·tagespflege.
Dabei ist es egal, ob die Eltern arbeiten oder nicht.
Das gilt auch für Menschen, die im Asyl·verfahren sind.
Und für geduldete Menschen.
Für Kinder mit Behinderung gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Es gibt diese Möglichkeiten der Förderung und Betreuung:
Inklusive Kitas und Kinder·tagespflege
Hier werden Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam betreut.
Um das Kind bestmöglich zu fördern, gibt es kleinere Gruppen.
Das Personal ist speziell ausgebildet.
Heil·pädagogische Kindergärten
Hier werden nur Kinder mit Behinderung betreut.
Förder·kindergärten
Sie haben sich auf eine bestimmte Beeinträchtigung festgelegt.
Damit kennt sich das Personal sehr gut aus.
Schauen Sie auf die Internet·seite Ihrer Stadt oder Gemeinde.
Oft können Sie dort nach Kitas und Stellen der Kinder·tagespflege in Ihrer Nähe suchen.
Zu Förder·möglichkeiten beraten Sie das Jugendamt oder die EUTB in Ihrer Nähe.