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Wie wir in Deutschland viel Unterstützung und einen Schwerbehinderten·ausweis bekommen haben

Eine 4-köpfige Familie steht im Park vor grünen Blättern. In der Mitte sitzt ein kleiner schmaler Junge im Rollstuhl. Er grinst und freut sich. Sein Vater hat sich links neben ihn gehockt. Rechts von ihm steht sein kleiner Bruders. Dahinter die Mutter. Sie beugt sich herab. Ihr Kinn ruht auf dem Kopf des kleines Bruders.

Faeik Said und Fayhaa Mohammad haben 2 Söhne. Ihr älterer Sohn Mohammed hat seit seiner Geburt eine Behinderung. Mit ihm sind sie aus Syrien geflohen. Erst der Vater, später Mutter und Sohn. In Deutschland haben sie sich ein neues Leben aufgebaut. Sie erzählen uns, wie sich hier ihr Alltag verbessert hat. Mohammed ist medizinisch gut versorgt. Er bekommt viel und gute Unterstützung. Und er hat einen Schwerbehinderten·ausweis.


Fayhaa Mohammad, 30 Jahre
Faeik Said, 42 Jahre
Sohn Mohammed, 10 Jahre
Sohn Noah, 4 Jahre

Fayhaa, was hast du vor Mohammeds Geburt erlebt?

Meine Schwan­ger­schaft verlief gut.

Aber mein Sohn hat eine Behinderung.

Wir lebten in Syrien und hatten wenig Geld.

Darum war es schwer, medizinisch gut versorgt zu werden.

Uns wurde gesagt: Lassen Sie besser einen Kaiserschnitt machen!

Aber wir wussten nicht, warum.

Und welche Folgen es haben kann, wenn wir das nicht tun.

Uns fehlte das Geld für den Kaiserschnitt.

Also kam mein Sohn ohne Kaiserschnitt zur Welt.

Man hatte uns nicht aufgeklärt, nichts gesagt.

Sonst hätten wir alles getan, um das Geld zu besorgen.

Wurde Mohammed nach der Geburt medizinisch versorgt?

Im Krankenhaus wurde festgestellt:

Während der Geburt hatte Mohammed einen Sauerstoff·mangel.

Dadurch war es zu einer Hirn·blutung gekommen.

Das ist der Grund für seine Beeinträchtigung.

Sie behielten ihn noch in der Klinik.

Dann war er soweit gefestigt.

Und wir konnten ihn nach Hause holen.

Zum Glück, denn nur 2 Tage später wurde das Krankenhaus bombardiert!

Wir hatten große Angst.

Wir trauten uns nicht mehr nach draußen.

Deshalb konnten wir den Arzt nicht besuchen.

Mohammed hatte starke Schmerzen.

Er weinte Tag und Nacht.

Wir konnten ihm nicht helfen.

Ihn leiden zu sehen, war für uns eine Qual.

Wir entschieden uns zur Flucht.

In Syrien gab es für uns nichts mehr.

Dort gab es nur noch Hunger, Schmerzen und Tod.

Vater und Mutter stehen neben ihrem Sohn. Der kleine Junge sitzt im Rollstuhl. Sein Vater hat seine Hand auf den Kopf des Jungen gelegt. Mit der anderen Hand umfasst er die Schulter seiner Frau.
Faeik Said: Hier in Deutschland haben wir erlebt: Es gibt eine Gesellschaft, in der Kinder wie Mohammed einen Platz haben.

Faeik, wie seid ihr nach Deutschland ge­kommen?

Ich kam über die Balkan·route.

Seit November 2014 lebe ich in Deutschland.

Dann wurde der Krieg immer schlimmer.

Deshalb flüchteten Fayhaa und Mohammed 9 Monate nach mir.

Zuerst flüchteten sie in die Türkei.

Erst viel später konnten sie nach Deutschland einreisen.

Als Familiennachzug konnten sie zu mir.

Fast 3 Jahre waren wir getrennt.

In der Zeit konnten wir nur telefonieren.

Fayhaa, wie war die Situation für euch in der Türkei?

Wir wohnten in der Stadt Mardin.

Wir sprechen Kurdisch.

Auch Nachbarn und Nachbarinnen sprachen dort Kurdisch.

Sie haben uns unterstützt.

Mohammed brauchte sehr viel Pflege.

Deshalb lebten wir sehr zurückgezogen.

2016 mussten wir zur Botschaft nach Istanbul.

Es ging um den Familien·nachzug.

Dort wurde Mohammed sehr krank.

Er musste im Krankenhaus behandelt werden.

Wir blieben in Istanbul.

Dort lebten wir in einer privaten Unterkunft.

Wir waren zu­sammen mit anderen Frauen und Kindern.

Alle waren wegen des Familiennachzugs da.

Damals hatten wir noch keine Hilfs·mittel wie einen Rollstuhl.

Wenn wir irgendwo hinmussten, trug ich Mohammed auf dem Arm.

In der Türkei gibt es auch Hilfs·organisationen.

Die haben uns bei der medizinischen Versorgung unterstützt.

Das staatliche Krankenhaus war für uns kostenlos.

Aber für die Behandlung durch Fachärzte mussten wir selbst zahlen.

Dafür machten wir Schulden.

Was hat sich verändert, seitdem ihr in Deutschland seid?

Früher fehlten uns alle wesentlichen Dinge.

Hier haben wir Zu­gang zur medizinischen Versorgung.

Jetzt hat Mohammed auch alle Hilfs·mittel, die er braucht.

Unser Tages­ablauf ist ruhig und geregelt.

Wenn ich in der Sprachschule bin, kümmert sich mein Mann um Mohammed.

Er kocht für ihn, wäscht ihn und spielt mit ihm.

Mehrmals die Woche kommt sein Einzelfall·helfer.

Er unter­nimmt mit Mohammed kleine Ausflüge.

Mohammed liebt es, rauszugehen.

Er hört auch gerne Musik.

Dann bewegt er sich dazu.

Mit seinem kleinen Bruder ist er ebenfalls gerne zusammen.

Sein Bruder macht ihn sehr glücklich.


In Syrien hätte er so ein Leben nicht gehabt.

Dort hieß es: Das Kind ist krank.

Das war, als wäre er nichts wert.

Dagegen gibt es in Deutschland viel Förderung und Unterstützung.

Der Schwerbehinderten·ausweis ist sehr praktisch.

Er erleichtert unseren Alltag.

Zum Beispiel können wir der Deutschen Bahn Bescheid sagen, wenn wir Zug fahren.

Dann tragen sie uns den Rollstuhl ins Abteil.

Wir hätten nie geglaubt, dass wir mal so viel Unterstützung bekommen.

Hier in Deutschland haben wir erlebt:

Es gibt eine Gesellschaft, in der Kinder wie Mohammed einen Platz haben.

Was ist ein Schwerbehinderten·ausweis?

Menschen mit Behinderung haben oft mehr Kosten.

Sie brauchen zum Beispiel Medikamente oder Hilfs·mittel.

Dieser Nachteil muss ausgeglichen werden.

Darum gibt es den Schwer­behinderten·ausweis.

Der Aus­weis bestätigt die Behinderung.

Je nach Art und Schwere der Behinderung

gibt es unterschiedliche Vorteile.


Der Schwerbehinderten·ausweis bringt auch

zusätzliche Rechte am Arbeitsplatz.

Zum Beispiel gibt es mehr Urlaub.

Oder es gilt ein besonderer Kündigungs·­schutz.

Außerdem bezahlt man mit dem Ausweis oft weniger Eintritt.

Zum Beispiel für den Zoo und das Schwimmbad.

Auch Bus und Bahn kann man kostenlos benutzen.

Oder es ist günstiger.

Wie bekomme ich den Schwerbehinderten·­­ausweis?

Für den Ausweis müssen Sie einen Antrag stellen.

Das geht beim Versorgungs·amt.

Oder in der Verwaltung Ihrer Stadt, ihrer Gemeinde oder in Ihrem Kreis.

Die Adresse erfahren Sie beim Bürgeramt.

Auch Beratungs·stellen können weiterhelfen.

Der Ausweis ist kostenlos.

Er ist 5 Jahre lang gültig.

Den Ausweis können auch asyl·suchende und geduldete Menschen erhalten.

Doch niemand muss einen Schwerbehinderten·ausweis beantragen.