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Ich wollte wieder Mut fassen und meine Tochter fördern, so gut ich kann

Eine Familie von 5 Personen steht dicht nebeneinander. Sie haben ihre Arme über die Schultern der nächsten Person gelegt. Alle lächeln. Vor ihren Füßen steht ein kleiner Hund.

Yıldız Akgün erzählt uns von ihrer Tochter Begümhan. Sie berichtet von Begümhans Geburt. Und von der schweren Zeit, bis die Behinderung ihrer Tochter feststand. Sie erzählt auch, wie sie danach wieder Mut gefunden hat.


Yıldız Akgün, 53 Jahre
Ferudun Akgün, 56 Jahre
Sohn Oğuzhan, 30 Jahre
Tochter Begümhan, 28 Jahre
Schwiegertochter Iclal, 27 Jahre
Hund Kotti, 12 Jahre

Yıldız, wusstest du gleich nach der Geburt von Begümhans Behinderung?

Nein. Sie wurde aus dem Krankenhaus entlassen.

Und mir wurde gesagt: Es ist alles gut.

Vorher war Folgendes passiert:

Kurz vor dem Geburts·termin kam ich ins Krankenhaus.

Denn die Herz·töne vom Baby waren auffällig.

2 Tage später kam Begümhan zur Welt.

Die Ärzte vermuteten eine Entzündung bei ihr.

Sie kam sofort in eine Kinder·klinik.

Dort war sie auf der Intensiv·station.

Und ich war von meiner Tochter getrennt.

Das war alles sehr schwer für mich.

Dann endlich wurde sie als gesund entlassen.

Wie ging es dann zu Hause weiter?

Ich hatte ja schon einen Sohn.

Nach kurzer Zeit fielen mir bei Begümhan Dinge auf.

Die waren ganz anders als bei meinem ersten Kind.

Ich wollte wissen, was los ist.

Deshalb wollte ich, dass Begümhan gründlich untersucht wird.

Da war sie 8 Monate alt.

Begümhan wurde im Krankenhaus untersucht.

Ein Arzt sagte mir dann:

Ihr Kind ist mehrfach·behindert.

Sie wird immer Pflege brauchen.

Ich war geschockt.

Ich verlor jede Hoffnung.

In der Zeit weinte ich viel.

Außerdem sprach ich viel mit meiner Familie und mit Freunden.

Aber niemand konnte mich richtig verstehen.

Ich fühlte mich sehr allein.

Aber ich wollte weitermachen: für Begümhan und für mich.

Junge Frau und ihre Mutter stehen sich zugewandt gegenüber. Sie halten sich an den Armen. Beide schauen zur Seite in die Kamera und lächeln.
Yıldız Akgün: Sie ist das Schönste, was mir im Leben passieren konnte. Sie hat mein Leben verändert. Deshalb bin ich die Person geworden, die ich heute bin. Durch sie habe ich so viel gelernt.

Wer hat dich damals unterstützt? Wer hat dir Mut gemacht?

Unsere Kinder·ärtzin hat sich sehr viel Zeit für uns genommen.

Sie verschrieb Begümhan Physio·therapie.

So gingen wir zu einer Therapeutin.

In ihrer Praxis hingen viele Fotos an der Wand.

Darauf waren spielende Kinder zu sehen.

Sie sahen fröhlich aus.

Die Therapeutin schaute sich mit mir die Bilder an.

Dann sagte sie:

Alle diese Kinder haben eine Behinderung.

Ganz ähnliche Behinderungen wie deine Tochter.

Das hat mich gestärkt.

Auf einmal konnte ich denken: Das schaffen wir auch!


Heute ist Begümhan 28 Jahre alt.

Sie arbeitet in einem Verein.

Sie ist das Schönste, was mir im Leben passieren konnte.

Sie hat mein Leben verändert.

Deshalb bin ich die Person geworden, die ich heute bin.

Durch sie habe ich so viel gelernt.

Deine Tochter ist sehr selbstständig. War dir das von Anfang an wichtig?

Viele Menschen denken:

Menschen mit Behinderung müssen wir schützen.

Wir müssen sie schonen.

Wir dürfen ihnen nicht zu viel zumuten.

Ich habe Begümhan immer Mut gemacht.

Ich habe sie aufgefordert: Mach mit!

Obwohl sie nicht alles so kann wie die anderen.

Ich wollte aber nicht, dass sie sich ausgeschlossen fühlt.

Da musste ich sie schon ein kleines bisschen loslassen.

Kannst du dir vorstellen, dass sie eines Tages allein wohnt?

Eines Tages soll sie allein wohnen können?

Dieser Gedanke fällt mir schwer.

Jetzt sind wir Eltern noch gesund und haben Kraft.

Jetzt können wir sie noch gut in ihre Selbst·ständigkeit begleiten.

Aber wir werden irgendwann alt und werden sterben.

Es ist nicht richtig, sie bis zum letzten Moment festzuhalten.

Deshalb ist es so wichtig, jetzt gemeinsam mit ihr ihre Zukunft zu planen.

Und das tun wir.

Begümhan weiß: Sie kann und darf über ihr eigenes Leben entscheiden.

Was ist Früh·förderung?

Manche Kinder entwickeln sich langsamer.

Zum Beispiel beim Laufen oder Sprechen lernen.

Deshalb bekommen sie Unterstützung.

Beim Sprechen hilft eine Logopädin oder ein Logopäde.

Das sind Sprach·therapeuten.

Sie machen Übungen mit dem Kind.

Auch die Eltern bekommen Informationen,

wie sie mit ihrem Kind zu Hause üben können.

Diese und weitere Angebote nennt man Früh·förderung.

Meistens findet die Früh·förderung in einer Praxis statt.

Aber manchmal kommen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

auch zu den Familien nach Hause.


Die Früh·förderung wird von den Kinderärzten

und Kinderärztinnen verordnet.

Die Eltern bekommen einen Verordnungs·schein.

Damit können sie sich die Früh·förderstelle selbst aussuchen.

Die Früh·förderung ist für die Familien kostenlos.

Auch asyl·suchende Kinder haben ein Recht auf Früh·förderung.

Genauso gilt das für geduldete Kinder.

Hier finden Sie weitere Informationen

Für die Früh·förderung müssen Sie einen Antrag stellen.

Aber wie geht das?

Dabei helfen Ihnen Früh·förderstellen.

Auch die EUTB hilft weiter.

EUTB ist die Abkürzung für: Ergänzende unabhängige Teilhabe·beratung.

Die EUTB berät Menschen mit Behinderung und Angehörige von Menschen mit Behinderung.

Die EUTB hilft ihnen dabei, damit sie überall dabeisein können.

Die Beratungen der EUTB sind kostenlos.

Sie müssen auch nicht Ihren Namen sagen, wenn Sie nicht wollen.

Sie brauchen Hilfe, eine Früh·förderstelle zu finden?

Fragen Sie Ihren Kinderarzt oder Ihre Kinderärztin.

Außerdem können Sie auf diese Internet·seite schauen: fruehfoerderstellen.de