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Wie wir in Deutschland ärztliche Hilfe und mehr·sprachige Beratung fanden

Eine Familie von 5 Personen sitzt auf einer Bank. Hinter ihr ein hohes Wohnhaus. Es ist Winter. Alle haben dicke Jacken an und eine Kopfbedeckung auf. Links sitzt der Vater, er schaut lächelnd auf seine beiden Söhne. Rechts sitzt die Mutter. Sie hat ein Baby auf dem Arm. Zwischen den Eltern sitzen zwei Jungen. Einer hat an einem Band um den Hals eine Kinderrassel.

Die Familie floh im Winter 2015 aus dem Irak. 2016 kam sie mit ihren 2 Söhnen in Deutschland an. Der Vater Anas Alismaeel ist Bau·ingeneur. Die Mutter Sawsan Mahmood ist Biologie·lehrerin. Der älteste Sohn heißt Aymen. Er ist Autist und er hat eine geistige Beeinträchtigung. Auf der Flucht wurde Anas krank. Er bekam Multiple Sklerose. Das ist eine Entzündung der Nerven. Die Krankheit lässt sich nicht heilen.


Sawsan Mahmood, 37 Jahre
Anas Alismaeel, 45 Jahre
Sohn Aymen, 12 Jahre
Sohn Seraj, 10 Jahre
Tochter Maria, 6 Monate

Wie war eure Situation im Irak, Sawsan?

Wir waren früher schon nach Jordanien gezogen.

Und sind dann wieder in den Irak zurückgekehrt.

Ab 2014 wurde es im Irak immer schlimmer und gefährlicher.

Wir lebten im Irak an verschiedenen Orten.

Wir waren immer auf der Suche nach einem sicheren Ort.

Dieses Hin und Her war schwer.

Es war eine große Belastung für unsere ganze Familie.

Wir wünschten uns ein Leben in Sicherheit.

Wie wollten ein Leben ohne Krieg.

Deswegen sind wir nach Deutschland geflohen.

2015 habt ihr euch auf den Weg nach Europa gemacht.
Wie habt ihr die Flucht erlebt, Anas?

Zuerst sind wir in die Türkei geflohen.

Damals ging die Flucht·route von dort über das Meer nach Griechenland.

Unsere Flucht war voller Angst, Schrecken und Sorge.

Wenn ich heute darüber nachdenke:

Es kommt mir wie ein Film vor.

Mehrmals wurden wir von der türkischen Polizei festgenommen.

Wir brauchten 5 Versuche.

Erst dann haben wir es nach Griechenland geschafft.

Von dort brauchten wir nochmal 2 Wochen.

Dann waren wir endlich in Deutschland.

Unseren Sohn Aymen haben wir den ganzen Weg getragen.

Denn er konnte nicht laufen.

Hilfs·mittel hatten wir damals nicht.

Die Situation war dramatisch.

Unser Sohn verstand nicht, was um ihn herum passierte.

Der Stress war sehr belastend für ihn.

Mitten auf der Flucht bin ich zusammengebrochen.

Plötzlich ging nichts mehr.

Von da an trug Sawsan unseren Sohn.

Auch andere Menschen halfen uns,

die mit uns auf der Flucht waren.

Was hast du gedacht, als du zusammengebrochen bist?

Zuerst dachten wir, dass ich einfach erschöpft bin.

Aber mir ging es nicht wieder besser.

Heute weiß ich:

Das waren die ersten Schübe meiner Krankheit Multiples Sklerose.

Das ist eine Entzündung des Nervensystems.

Die Krankheit kommt in Schüben.

Zum Beispiel können zeitweise die Muskeln gelähmt sein.

Oder man kann schlecht sehen.

Die Krankheit wurde aber erst ein Jahr später richtig festgestellt.

Wie habt ihr die Ankunft in Deutschland erlebt?

Zuerst waren wir in München.

Von dort kamen wir nach Leipzig.

Und schließlich erreichten wir Berlin.

Im ersten Heim hatten wir keinen privaten Ort.

Zum Glück konnten wir in eine andere Unterkunft umziehen.

Schließlich bekamen wir sogar in eine eigene Wohnung.

Das war sehr gut für uns.

Es gab uns mehr Halt und Sicherheit.

Besonders für Aymen ist das wichtig.

Er braucht einen festen und möglichst gleichen Tages·ablauf.

Wie wurde Aymen in Deutschland unterstützt?

Wir wussten schon seit Aymens Geburt von seiner Behinderung.

Wir waren schon bei Ärzten in Jordanien und im Irak.

Aber Genaueres wurde erst in Deutschland festgestellt.

Die ersten Monate nach unserer Ankunft waren sehr unruhig.

Ständig kamen wir an einen anderen Ort.

Und dann gab es ein Versehen.

Mitarbeitende der Unterkunft haben Aymens Behinderung nicht gemeldet.

Deshalb bekam er 2 Monate lang keine Unter­stützung.

Wir haben uns sehr für unseren Sohn eingesetzt.

Bis wir zum Amt kamen.

Der Mitarbeiter dort war sehr überrascht.

Schnell war klar, dass es einen Fehler gab.

Endlich erhielten wir eine medizinische Versorgung.

Doch die Krankenhäuser waren damals sehr voll.

Wir konnten die deutsche Sprache noch nicht.

Und meine Krankheit war noch nicht erkannt.

Dadurch war vieles sehr schwer.

Zum Glück fanden wir eine Beratungs·stelle.

Dort waren arabisch·sprachige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Die haben uns geholfen.

Die Familie steht auf der Treppe. Links der Vater, er stützt sich auf Krücken. Rechts die Mutter, sie hält das Baby im Arm. Vorne stehen die beiden Jungen. Einer hält die Rassel hoch. Sein Bruder lehnt den Kopf an seinen.
Sawsan Mahmood: Ich bin sehr dankbar für all die Unterstützung. Wenn etwas mit Anas oder Aymen ist, kann ich jemanden ansprechen. Der hilft mir weiter und stärkt mich. Das ist ein gutes Gefühl.

Sawsan, wie geht es Aymen heute?

Es geht ihm sehr viel besser.

Er besucht eine Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.

Dort werden nur Schüler ind Schülerinnen mit Förderbedarf unterrichtet.

Sie alle haben eine schwere und lang andauernden Lernbeeinträchtigung.

Dort hat er Freunde gefunden.

Er geht sehr gerne zur Schule.

In der Freizeit unterstützt uns ein Einzelfall·helfer.

Mit ihm unternimmt Aymen kleine Ausflüge.

Insgesamt werden wir im medizinischen Bereich sehr gut unterstützt.

Vom Jugendamt wurde uns ein Experte für Autismus vermittelt.

Er unterstützt Aymen.

Ayman lernt viel dazu.

Heute hat Aymen einen festen Tagesablauf.

Er ist deshalb jetzt viel ausgeglichener.

Und er kann mehr am Leben teilhaben.

Ich bin sehr dankbar für all die Unterstützung.

Wenn etwas mit Anas oder Aymen ist,

kann ich jemanden ansprechen.

Der hilft mir weiter und stärkt mich.

Das ist ein gutes Gefühl.

Hast du einen Rat für andere Familien?

Genießt das Leben!

Es ist so viel los im Alltag.

Da ist es wichtig, die Freizeit gemeinsam zu verbringen.

Und zusammen etwas Schönes zu erleben.

Meine Familie glücklich zu sehen, gibt mir Kraft.

Was ist Erziehungs·beratung? Was ist Eltern·beratung?

Fühlen Sie sich bei der Erziehung Ihrer Kinder überfordert?

Gibt es deshalb oft Streit?

Überall in Deutschland ­gibt es Beratungs·angebote.

Die können Ihnen bei Fragen weiterhelfen.

Zu Beispiel zur Erziehung und Ent­wicklung Ihres Kindes.

Oder auch bei Streit in der Familie.

Die Beratungen sind meistens kostenlos.

Oft werden sie in verschiedenen Sprachen angeboten.

Sie müssen auch nicht Ihren Namen sagen, wenn Sie nicht wollen.

Hier finden Sie weitere Informationen

Es gibt ein Eltern·telefon.

Das bietet einfache und schnelle Beratung.

Es heißt: Nummer gegen Kummer.

Nummer gegen Kummer: 0800 1110550

Auch hier müssen Sie nicht Ihren Namen sagen.

Und die Beratung kostet Sie kein Geld.


Auf der Internet·seite bke.de können Sie eine Suche eingeben.

Suchen Sie dort nach einer Erziehungs·beratung und Familien·beratung in Ihrer Nähe.

Außerdem können sich Eltern und Jugendliche auf der Internet·seite online beraten lassen.


Auch das Jugendamt kann Sie unterstützen.

Es ist nicht wichtig, welchen Aufenthalts·status Sie haben.

Das Jugendamt hilft bei vielen Fragen und Problemen.

Oder es leitet Sie an Beratungs·stellen in Ihrer Nähe weiter.